Capcoms Action-Rollenspiel Dragon’s Dogma aus dem Jahr 2012 ist ein Titel, der bis heute eine treue Fangemeinde besitzt und dessen Fortsetzung, Dragon’s Dogma 2, kürzlich erschienen ist. Es sticht durch eine ungewöhnliche Mischung aus westlichen Open-World-Mechaniken und japanischer Action-RPG-Expertise hervor. Das Spiel präsentiert brillante, innovative Ideen, allen voran das einzigartige Vasallen-System und ein packendes Kampfsystem. Gleichzeitig kämpft es jedoch mit merklichen Schwächen bei der Erzählung, der technischen Umsetzung und einigen Komfortfunktionen. Ist Dragon’s Dogma also ein Meisterwerk oder eine frustrierende Erfahrung? Die Antwort liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen.
Spielwelt
Die Prämisse von Dragon’s Dogma ist ebenso klassisch wie dramatisch: Ein mächtiger Drache namens Grigori greift das Fischerdorf des Spielers an. Im mutigen, aber aussichtslosen Kampf wird dem Protagonisten das Herz entrissen – doch statt zu sterben, erwacht er als «Erweckter» (Arisen) wieder zum Leben. Von nun an ist er durch ein mystisches Band mit dem Drachen verbunden und dazu bestimmt, die Bestie zu jagen, um sein Herz zurückzufordern und eine drohende Apokalypse abzuwenden.

Diese Reise führt durch die weitläufige High-Fantasy-Welt Gransys, deren Design laut Entwicklern von Sizilien inspiriert wurde, aber auch deutliche Anklänge an klassische Fantasy-Tropen wie jene aus The Elder Scrolls oder Tolkiens Werken aufweist. Die Welt bietet eine offene Struktur, einen dynamischen Tag-Nacht-Zyklus samt Wettersystem und mit Gran Soren eine zentrale, belebte Stadt mit über 200 NPCs, die eigenen Tagesabläufen folgen sollen.
Trotz dieser soliden Grundlage wird die narrative Umsetzung in vielen Kritiken als eine der Hauptschwächen des Spiels genannt. Die Handlung wird oft als oberflächlich, vage oder gegenüber dem Gameplay als zweitrangig empfunden. Zwar werden die Dialoge an sich teilweise als gut geschrieben gelobt, doch haben viele NPCs oft nur wenige Zeilen zu sagen, was die Welt trotz ihrer visuellen Reize manchmal leblos erscheinen lässt. Gransys fühlt sich für manche eher wie eine beeindruckende Kampfarena denn wie eine atmende Welt an. Die Motivation entspringt weniger der Story als dem Wunsch, den eigenen Charakter zu verbessern und die nächste Herausforderung zu meistern.
Gameplay-Kernmechaniken
Im Kern ist Dragon’s Dogma ein Third-Person Action-RPG, das in einer offenen Welt spielt. Das Kampfsystem ist das unbestrittene Highlight und hebt sich deutlich von vielen Genrekollegen ab.

Kämpfe laufen in Echtzeit ab und erinnern mit Hack & Slash-Elementen an Titel wie Devil May Cry (an dem viele Entwickler beteiligt waren) und Ryse: Son of Rome, das in einem realistischeren Fantasy-Format gehalten ist. Entscheidend sind das richtige Timing von Angriffen, der Einsatz von Fähigkeiten und vor allem das Management der Ausdauerleiste. Wer sie komplett leert, ist kurzzeitig wehrlos.
Ein herausragendes und prägendes Merkmal ist die Möglichkeit, riesige Gegner wie Zyklopen, Greifen oder Chimären direkt zu erklimmen. Ähnlich wie in Shadow of the Colossus kann der Spieler an den kolossalen Körpern hochklettern, um gezielt Schwachstellen anzugreifen – sei es das Auge eines Zyklopen oder die Flügel eines Greifen. Dieses System verleiht den Kämpfen eine einzigartige Dynamik und ein Gefühl von Direktheit.
Dragon’s Dogma ist kein einfaches Spiel. Gegner teilen kräftig aus, und unvorsichtiges Vorgehen wird schnell bestraft. Strategie, Vorbereitung und das Ausnutzen von Schwachstellen sind essenziell. Vergleiche zu Dark Souls oder Demon’s Souls sind hier durchaus angebracht, auch wenn die Entwickler betonten, dass das Spiel auch für Action-Neulinge zugänglich sein soll. Die Auseinandersetzungen mit den oft turmhohen Bossgegnern sind spektakulär inszeniert und gehören zu den intensivsten Momenten des Spiels. Sie sind oft langwierig, fordernd und bleiben lange im Gedächtnis.

Zur strategischen Tiefe trägt auch das flexible Klassensystem bei, die sogenannten Berufungen (Vocations). Spieler starten mit Basisklassen wie Kämpfer, Streicher (eine Art Schurke/Bogenschütze) oder Magier. Später schalten sie fortgeschrittene (Krieger, Waldläufer, Erzmagier) und sogar Hybrid-Berufungen (Mystischer Ritter, Assassine, Magiebogenschütze) frei, die Elemente zweier Klassen kombinieren. Das Besondere: Man kann die Berufung im Spielverlauf gegen eine Gebühr wechseln. Erlernte passive Fähigkeiten können oft auch von anderen Klassen genutzt werden, was vielfältige Charakter-Builds ermöglicht.
Das Vasallen-System
Die wohl größte und wichtigste Innovation von Dragon’s Dogma ist das Vasallen-System. Statt menschlicher Mitspieler wird der Erweckte von bis zu drei KI-gesteuerten Begleitern, den Vasallen (Pawns), unterstützt.
Team-Zusammenstellung:
Hauptvasall: Direkt nach dem Spielstart erstellt der Spieler seinen eigenen, permanenten Hauptvasallen mit derselben Detailtiefe wie den eigenen Charakter (Aussehen, Klasse, Name). Dieser Vasall levelt mit, kann ausgerüstet und dessen Fähigkeiten können gewählt werden.
Rekrutierte Vasallen: Die anderen beiden Plätze im Team werden durch Vasallen gefüllt, die man aus einer anderen Dimension, dem «Rift», beschwört. Der Clou: Viele dieser Vasallen sind die Hauptvasallen anderer Spieler, die über das Netzwerk zur Verfügung gestellt werden. Man kann gezielt nach Level, Klasse oder Fähigkeiten suchen oder auch die Vasallen von Freunden anheuern.

Die Vasallen agieren im Kampf autonom, unterstützen den Spieler, weisen auf Gefahren oder Schwachstellen hin («Greift den Kopf an!», «Es ist schwach gegen Feuer!») und können sogar Taktiken lernen. Ein Vasall, der mit einem anderen Spieler einen bestimmten Gegnertyp erfolgreich bekämpft hat, bringt dieses Wissen mit zurück und agiert beim nächsten Mal eventuell effektiver.
So brillant das System ist, es hat auch seine Tücken. Die Vasallen neigen dazu, ihre Dialogzeilen sehr oft zu wiederholen, was auf Dauer nervig werden kann. Ihr Verhalten ist nicht immer optimal, und eine direkte, feingranulare Steuerung wie in manch anderen RPGs gibt es nicht (nur einfache Befehle wie «Los!», «Hilf!», «Komm!»). Es gibt ein ähnliches System in Spielen wie Far Cry 5 mit einigen Unterschieden, aber die Grundidee ist ähnlich.
Das System integriert eine Art asynchronen Multiplayer. Wenn der eigene Hauptvasall von einem anderen Spieler «ausgeliehen» wird, kehrt er nach dessen Entlassung (oder wenn man selbst rastet) mit Wissen über besiegte Gegner oder erkundete Gebiete, Erfahrungspunkten für den Spieler (nicht für sich selbst) und möglicherweise Geschenken oder Riftkristallen zurück. Riftkristalle werden benötigt, um Vasallen anzuheuern, die einen höheren Level als der Spieler haben. Man kann Vasallen anderer Spieler auch bewerten.
Eine gut ausbalancierte Gruppe ist entscheidend für den Erfolg. Die Synergie zwischen den verschiedenen Klassen (z.B. ein Tank, der Gegner bindet, während Fernkämpfer Schaden austeilen und ein Magier heilt oder Buffs wirkt) ist ein wichtiger strategischer Aspekt.
Erkundung, Fortschritt & Die Tücken
Die Erkundung der offenen Welt von Gransys ist oft eine emotionale Belohnung. Es gibt immer versteckte Wege, Höhlen, Verliese und Schätze zu entdecken.
Ein großer Wermutstropfen ist jedoch das Reisen. Zu Beginn fehlt ein komfortables Schnellreisesystem. Zwar gibt es Verbrauchsgegenstände wie Reisesteine (Ferrystones), mit denen man zu bestimmten Orten (vor allem Gran Soren) zurückteleportieren kann, und später die Möglichkeit, eigene Schnellreisepunkte (Portkristalle) zu setzen, doch sind diese Items anfangs teuer und selten. Ochsenkarren bieten eine langsame Reisemöglichkeit zwischen festen Punkten. Dies führt unweigerlich zu langen Laufwegen und viel Backtracking, da viele Quests den Spieler immer wieder durch bereits bekannte Gebiete schicken, in denen Gegner oft an denselben Stellen neu erscheinen.

Das Fortschrittssystem ist klassisch: Man sammelt Erfahrungspunkte zum Leveln, wodurch Basiswerte steigen. Durch den Einsatz von Fähigkeiten im Kampf erhöht man den Rang in der aktuellen Berufung und schaltet so neue Skills frei, die man dann mit Disziplin-Punkten (ebenfalls durch Kampf verdient) erwerben muss. Ein Loot-System versorgt den Spieler mit neuer Ausrüstung und Materialien, die zum Verbessern von Waffen und Rüstungen oder durch Item-Kombination für Tränke und andere Hilfsmittel verwendet werden können.
Die Animationen der großen Monster und die künstlerische Gestaltung sind sehr beeindruckend und verleihen den Kämpfen eine besondere Wirkung. Andere Aspekte wie Charaktermodelle, Umgebungsdetails, Texturen und Effekte sehen jedoch oft veraltet aus. So veraltet, dass ich mir manchmal wünsche, ich könnte Samuel die Komplettlösung des Spiels überlassen, da er sich mit Pixelgrafiken besser auskennt. Clipping-Fehler und auftauchende Objekte trüben das Bild zusätzlich.
Was das Sounddesign angeht, so wird der orchestrale Soundtrack im Allgemeinen als positiv empfunden und untermalt die epischen Momente gut. Das Voice Acting ist solide, leidet aber unter der Wiederholung, vor allem bei den Vasallen.
Tipps für (angehende) Erweckte
Wer sich auf dieses Abenteuer einlässt, sollte einige Dinge bedenken:
- Vasallen sind wichtig: Besonders ein Magier mit Heilzaubern im Team ist Gold wert. Eine ausgewogene Gruppe erleichtert das Überleben enorm.
- Inventarmanagement: Gewicht beeinflusst die Ausdauer. Lagert nicht benötigte Gegenstände regelmäßig im Gasthaus. Verkaufen sollte man Items nur im Notfall, da viele Materialien später für Upgrades benötigt werden.
- Essenzielle Ausrüstung: Eine Laterne und Lampenöl für die dunkle Nacht, Reisesteine für die Schnellreise und Lazarussteine (Wakestones) zur Wiederbelebung (auch von wichtigen NPCs!) sind unerlässlich.
- Lest die Tutorial-Texte und Item-Beschreibungen. Nutzt die Schwachstellen der Gegner (Elemente, Klettern).
- Nachts sind die Gegner deutlich gefährlicher. Speichert oft, besonders im Gasthaus (dies ist der «echte» Speicherpunkt). Redet mit allen NPCs, sie könnten Quests haben oder wichtige Informationen liefern. Seid euch bewusst, dass auch Quest-relevante NPCs sterben können (aber oft wiederbelebt werden können).
Nachwort
Dragon’s Dogma ist zweifellos ein besonderes Spiel. Seine Stärken sind herausragend: Das Kampfsystem ist tiefgehend, actionreich und unglaublich befriedigend, insbesondere das Klettern auf riesigen Monstern. Das Vasallen-System ist eine innovative und faszinierende Mechanik, die dem Singleplayer-Erlebnis eine soziale Note verleiht. Die Bosskämpfe sind episch, und die Erkundung der Welt kann sehr lohnend sein. Das Spiel bietet eine hohe Langzeitmotivation durch das Klassensystem und New Game+.
Dem gegenüber stehen jedoch klare Schwächen: Die Story bleibt dünn und dient oft nur als Vorwand. Technische Probleme wie veraltete Grafik, Clipping und Pop-ins sind nicht zu übersehen. Das umständliche Reisen ohne komfortable Schnellreise und das klobige Interface können extrem frustrierend sein und den Spielfluss erheblich stören. Die repetitive Natur einiger Elemente, allen voran die Vasallen-Dialoge und das Backtracking, zehren an den Nerven.
Dragon’s Dogma ist ein Paradebeispiel für einen «Fehlerhafter Klassiker» – ein ungeschliffener Diamant. Es ist ein Spiel voller Ambitionen und brillanter Ideen, das jedoch an seiner eigenen Ausführung und einigen Designentscheidungen leidet. Wer über die offensichtlichen Mängel hinwegsehen kann und Gameplay über eine ausgefeilte Story stellt, findet hier ein einzigartiges, fesselndes und oft atemberaubendes Action-RPG. Es erfordert Geduld und die Bereitschaft, sich auf seine Eigenheiten einzulassen. Für Spieler, die genau das suchen, ist Dragon’s Dogma jedoch auch heute noch – oder gerade als Vorbereitung auf den Nachfolger – eine absolute Empfehlung wert. Wenn du ein Fan dieser Spiele bist, empfehlen wir dir einen Blick auf unsere anderen Videospiel-Reviews.
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